“Gipfelstürmer” in Erfurt
Abschied vom Grafen und Unheilig
08.05.2015 [nm] In die Messehalle nach Erfurt hat schon so mancher Künstler tausende Fans gelockt. Aber was an sich an jenem Freitag schon Stunden vor dem Konzert des Grafen und Unheilig vor der Halle abspielte, das erlebt das Sicherheitspersonal auch nicht alle Tage. Schon Stunden vor Einlass standen die Fans in zwei Reihen dicht gedrängt vor den Türen. Die Massen schlängelten sich über den gesamten Vorplatz und noch weiter. Indessen staute sich der Anreiseverkehr kilometerweit über die Autobahn bis zum Erfurter Kreuz zurück. Die Musikhungrigen strömten aus allen Himmelrichtungen herbei. Über 10.000 Menschen waren es am Ende. Sie alle wollten Abschied nehmen vom Grafen und Unheilig.
Wir haben uns unter den Wartenden mal umgehört: „Wir wollen noch einmal ganz vorne stehen und mitfeiern“, ruft uns Anna zu, die schnell zurück zu ihren Freundinnen will, die tatsächlich einen Platz in den vordersten Reihen ergattert haben. „Ich will das Lied ‘Geboren um zu leben’ noch einmal live hören, dass mir meine Frau im Krankenhaus immer vorgespielt hat“, sagt Klaus. „Ich will einfach beim Abschied dabei sein, weil mir schon die Konzerte in den letzten Jahren so gut gefallen haben“, teilt und Christian mit.
Im Herbst vergangenen Jahres hatte der Graf mit einem offenen Brief an seine Fans nämlich überraschend das Ende von Unheilig angekündigt. „Du musst aufhören, wenn es am Schönsten ist“, schrieb er damals und gab an, sich in Zukunft mehr Zeit für Familie und Privatleben nehmen zu wollen. Die letzten 15 Jahre waren durchaus turbulent. Die Musik, die in den Anfangsjahren nur Anhänger der schwarzen Szene hörten, begeisterte ab dem 2010er-Album „Große Freiheit“ immer mehr Leute. Spätestens seit Der Graf mit dem Song “Unter Deiner Flagge” bei Stefan Raab den Bundesvision Song Contest 2010 gewann, ist er in ganz Deutschland populär und erfolgreich. Danach setzten sich seine Alben und Singles wochenlang auf den ersten oder zumindest vorderen Plätzen der Charts fest. Auch zu den Konzerten mit Kinderland und Familien-Atmosphäre pilgerten in letzten Jahren Tausende.
Als an jenem Freitag, kurz vor 20 Uhr, auf der Bühne in der Erfurter Messehalle zahlreiche Kerzen angezündet wurden, da standen in den ersten Reihen auch Familien mit Kindern neben Teenagergruppen und älteren Pärchen. Ja, die Musik vom Grafen und Unheilig verbindet Generationen. Alle sind gekommen, um die neuen Songs des aktuellen und letzten Albums „Gipfelstürmer“ gemeinsam zu hören. Dann wird es dunkel in der Halle. Der Gipfelstürmerexpress rollt los und der Graf springt auf die Bühne. Nun gibt es kein Halten mehr. Die Masse johlt und schiebt sich immer näher an die Absperrungen. Der Graf tänzelt über die Bühne und singt sich bei Titeln wie „Mein Berg“, „Hinunter bis auf Eins“ oder „Wir sind die Gipfelstürmer“ förmlich die Seele aus dem Leib. Auch die Hits der vergangenen Jahre wie „Geboren um zu leben“ oder „Unter deiner Flagge“ dürfen natürlich nicht fehlen.
Die Mischung aus schnellen und langsamen Titeln über Liebe, Vertrauen, Abschied, Hoffnung und Neubeginn begeistert an diesem Abend in Erfurt Tausende. Ein Trost bleibt: Die Musik vom Grafen und Unheilig wird auch nach dem letzten Konzert am 10. September 2016 in Köln weiterleben. Wie sagte es ein älteres Pärchen auf dem Nachhauseweg doch so schön: „Wir können ja den CD-Player anmachen, und zwar so oft und wo wir wollen.“